Historisches Stempelgeld: Drei Marken im Wert von 20 Milliarden Mark

Vor 100 Jahren…: Galoppierende Inflation

Mit Stempelmarken zahlte man 1923 Gebühren in Milliardenhöhe

Briefmarkensammeln ist für viele eine Leidenschaft. Es gibt aber auch noch andere Typen von Marken, die historisch bedeutsam waren. Das waren insbesondere die Stempelmarken, mit denen Steuern und Gebühren bezahlt werden konnten. Genau wie Briefmarken konnten diese unterschiedlich gestaltet werden. Diese Marken waren aber nicht nur schön, sondern sind augenfällige Belege für zentrale Phänomene der Zeit.

Noch heutzutage ist der Preis der Briefmarken schnell ein Politikum und die steigenden Preise können zum Aufreger werden. Doch über die aktuellen 85 Cent für eine Standardbriefmarke konnten sich die Menschen vor 100 Jahren nur freuen.

Mit den Stempelmarken wurden Gebühren für bestimmte Leistungen bezahlt. Als die Firma Medawerk Paul Meltzer Aktiengesellschaft in Darmstadt am 27. Dezember 1923 eine Eintragung im Handelsregister beantragte, zeigen Stempelmarken mehr als deutlich die Kosten für diese Leistung: Allein auf der Vorderseite finden sich 11 Stempelmarken – und jede einzelne besaß einen Wert von 1 Milliarde Mark! Auf der Rückseite finden sich weitere 9 dieser Marken. Insgesamt bezahlte die Firma damit 20 Milliarden Mark für die Beurkundung dieses Dokumentes durch den Darmstädter Notar Theodor Kleinschmidt.

Historisches Stempelgeld: Vier Marken im Wert von 1 Milliarde Mark

Als der Notar am folgenden Tag, dem 28. Dezember 1923, noch eine Vollmacht für die Firma beurkunden sollte, finden sich dort erneut Stempelmarken. Dieses Mal sind es nur drei, allerdings in schwindelerregender Höhe: Zwei Stempelmarken für jeweils 20 Milliarden Mark und eine weitere für 10 Milliarden Mark. Ganze 50 Milliarden Mark kostete die Firma Medawerk Paul Meltzer AG diese Beurkundung!

Diese Stempelmarken zeigen deutlich das Phänomen der galoppierenden Inflation in Deutschland im Jahr 1923, die eine starke Belastung für viele Menschen, aber auch für viele Unternehmen war.

Die Firma Medawerk, Paul Meltzer, Aktiengesellschaft mit Sitz in Darmstadt ließ sich am 12. Januar 1924 in das Handelsregister eintragen und verkündete am 23. Januar 1924 stolz im Darmstädter Tagblatt: „Gegenstand des Unternehmens: Herstellung von Baustoffen aller Art, Anfertigung und Vertrieb von Holzkonstruktionen für Bau und ähnliche Zwecke, besonders Fabrikation von Holzhäusern und Handel mit Baumaterialien sowie die Ausführung von Bauarbeiten.“ Das Grundkapital der Firma betrug 50 Millionen Mark.

Historisches Stempelgeld: Zwei Marken im Wert von 2 Billionen Mark

Zwei Monate später ließen sich damit noch nicht einmal mehr die Gebühren für die Tätigkeit des Amtsgerichts zur Eintragung im Handelsregister bezahlen: Am 29. März 1924 belegen zwei Stempelmarken des Amtstgerichts Darmstadt, dass die Firma 4 Billionen Mark an Gebühren entrichten musste!

Dieser Inflation hatte die noch junge Firma kaum etwas entgegenzusetzen. Bis zum 8. August 1924 hatte sie die Kosten für die Eintragung im Handelsregister noch nicht bezahlen können. Bereits am 7. Juni 1924 war zur Abwendung des Konkursverfahrens der Firma eine Geschäftsaufsichtsperson, nämlich der beeidigte Bücherrevisor Jakob Simon bestellt worden.

Historisches Stempelgeld: Eine blaue und eine rote Marke kleben auf einem Briefbogen

Die Firma versuchte sich zu konsolidieren: Am 6. Dezember 1924 meldete der Firmenvorstand nicht nur die Übersendung des Generalversammlungsprotokolls an das Amtsgericht Darmstadt für das Handelsregister, sondern auch, dass das Grundkapital nun nur noch 100.000 Reichsmark betrage. „Die Herabsetzung ist dadurch erfolgt, dass die Aktien, die seither je 10.000 Mark Nennwert hatten, nunmehr je 20 Reichsmark Nennwert haben.“ Endlich operierte man wieder mit handlicheren Zahlen. Die Kostenumstellung im Handelsregister kostete nun auch nur noch 103,90 Mark. Aber auch die konnte das Unternehmen letztlich nicht mehr bezahlen. Am 16. April 1925 musste die Firma Medawerk Paul Meltzer, Aktiengesellschaft jedoch Konkurs anmelden, da „Zahlungseinstellung und Überschuldung vorliegen“.

Anna Krabbe, Darmstadt

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