Mittelalterliche Urkunde: Handschrift auf Pergament mit Wachssiegel

Hessische Landgrafen-Urkunden Online

Wichtige Quellen für die Forschung erschlossen

Der Bestand Urk. 14 des Staatsarchivs Marburg beinhaltet eine reichhaltige Urkundenüberlieferung zu den Lehnsgeschäften der Landgrafen von Hessen(-Kassel). Mit insgesamt 14.919 Stücken ist er der größte Einzelbestand der umfangreichen Marburger Urkundenabteilung, die Laufzeit erstreckt sich vom Jahr 1257 bis in das Jahr 1867. Die darin zusammengefassten Urkunden sind zentrale Quellen zur Entwicklung der Landgrafschaft Hessen(-Kassel) von der Genese einer eigenständigen hessischen Landesherrschaft in der Mitte des 13. Jahrhunderts bis hin zur Ausbildung eines frühmodernen Territorialstaats Hessen-Kassel, der schließlich im 19. Jahrhundert im preußischen Staat aufging.

Es handelt es sich um einen der umfangreichsten und am dichtesten überlieferten Bestände von Lehnsurkunden im deutschsprachigen Raum. Aufgrund seiner zentralen Bedeutung wurde der Bestand in den Jahren 2019 bis 2023 im Rahmen des DFG-geförderten Projekts HeLaUrOn [He(ssische) La(ndgrafen)-Ur(kunden) On(line)] erschlossen und ist nun vollständig in Arcinsys recherchierbar: HStAM, Urk. 14Öffnet sich in einem neuen Fenster.

Lehnsbrief in Form eines Buches, verzierte Handschrift auf Pergament
Lehnsbrief von Kaiser Karl VI. in Form eines Buches, 1732 (HStAM, Urk. 14, Nr. 14)

Der Bestand gliedert sich in Passivlehen, welche die Landgrafen von anderen Personen und Institutionen erhielten, und Aktivlehen, die von den Landgrafen selbst an ihre Vasallen vergeben wurden. Letztere machen mit mehr als 14.000 Stücken den mit Abstand größten Teil des Bestandes aus und umfassen neben den von den Landgrafen ausgestellten Lehnsbriefen vor allem Lehnsreverse, in denen die Lehnsnehmer den Empfang des Lehens und die Leistung des Lehnseides schriftlich bestätigten. Die Urkunden wurden nach einheitlichem Schema erschlossen, angegeben sind jeweils Lehnsgeber und –empfänger sowie Art und Umfang der Lehen. 

Den hohen Stellenwert der Landgrafschaft Hessen bezeugen unter anderem die unter den Passivlehen überlieferten Herrscherurkunden, in denen die Landgrafen ihr Territorium als kaiserliches Lehen erhielten, etwa von Kaiser Maximilian I. im Jahr 1495 und von Kaiser Karl VI. im Jahr 1732. Zu den Lehnsgebern zählten daneben auch die Erzbischöfe von Mainz – auch für die Erforschung der Interaktion zwischen benachbarten Reichsterritorien bieten die Urkunden daher eine unverzichtbare Grundlage.

Lehensurkunde, Handschrift auf Pergament
Lehensurkunde des Erzbischofs von Mainz, 1597 (HStAM, Urk. 14, Nr. 29)

Im Bereich der Aktivlehen machen die Urkunden die Besitz- und Statusentwicklung zahlreicher bedeutender Adelsfamilien und ihrer Territorien sowie deren Vernetzung untereinander greifbar. Als Beispiel seien die Freiherren Riedesel (zu Eisenbach) angeführt, die zum hessischen Uradel gehören und seit 1432 das erbliche Amt des landgräflich-hessischen Erbmarschalls innehatten. Die zahlreichen für die Familie ausgestellten Lehnsbriefe und von ihnen ausgefertigten Lehnsreverse dokumentieren die Ausweitung ihrer Besitzung und Rechte sowie ihrer politischen und gesellschaftlichen Bedeutung vom 14. bis ins 19. Jahrhundert.

Die Urkunden geben aber nicht nur Auskunft zur hessischen Landesgeschichte, sondern auch zu Entwicklungen in angrenzenden Regionen. Die Landgrafen von Hessen belehnten beispielsweise seit dem 17. Jahrhundert die Grafen von Hohenlohe und Gleichen, ein altes fränkisches Adelsgeschlecht, das 1450 in den Reichsgrafenstand erhoben worden war, mit vom Kloster Hersfeld heimgefallenen Rechten und Besitzungen in den heute in Thüringen gelegenen Landkreisen Sömmerda und Gotha.

Im Zuge der Erschließung des Bestandes wurden alle in den Urkunden genannten Orte inner- wie außerhalb des heutigen Bundeslandes Hessen identifiziert und bestimmt. Auf dieser Grundlage werden die Verzeichnungsdatensätze in Arcinsys im nächsten Schritt mit Normdaten angereichert, um die Recherche- und Auswertungsmöglichkeiten des Bestandes noch weiter zu verbessern.

Sabine Fees, Marburg