Weihnachtspostkarte mit historisierender Darstellung der Geburt Christi und Anbetung durch die drei Weisen

Weihnachtliche Entdeckungsreisen

Das Staatsarchiv Marburg bietet Sonderführungen in der Adventszeit an

Zum Ende des Jahres 2022 probierte das Staatsarchiv Marburg ein neues Format von Führungen aus: Anhand ausgewählter Exponate näherte man sich dem Thema Advents- und Weihnachtszeit sowie dem Jahreswechsel in öffentlichen und buchbaren Führungen. In vier Stationen, bei denen gleichsam „nebenbei“ auch Geschichte und Aufgaben des Hauses erläutert wurden, gab es unterschiedlichste Archivalien vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert zu sehen.

Die Weihnachtsführungen erfreuten sich großer Resonanz, weshalb das Format auch in diesem Jahr neu aufgelegt wird. An den drei Montagen im Advent (4., 11. und 18. Dezember) besteht jeweils um 17:15 Uhr innerhalb öffentlicher Führungen die Möglichkeit, im Landgrafensaal, in den Lesesälen und im Magazin Dokumente zu entdecken, die einen Bezug zum Weihnachtsfest aufweisen. Dazu zählen beispielsweise Datierungen in mittelalterlichen Urkunden, oder Unterlagen, die vom Feiern der Weihnachtszeit in unterschiedlichen Epochen erzählen. So werden Sie mitgenommen ins 17. Jahrhundert, wo ein Teil der Geburtsstätte Christi als Reliquie nach Fulda gelangte, ins 18. Jahrhundert, wo Quellen von der Abschaffung des dritten Weihnachtstages (ja, den gab es!) berichten, und in die Nachkriegszeit, aus der Dankesbriefe von Schulkindern an die amerikanische Militärregierung für Geschenke überliefert sind. Sie erfahren, dass auch schon vor zweihundert Jahren die Qualität von Spielwaren überwacht wurde und für den vierzehnjährigen Jacob Grimm ein Kalender, eine Nachtkappe und Äpfel unterm Weihnachtsbaum lagen.

Beschriftete Zettel
Zettelwirtschaft zum Fest: Carl Bantzer hielt die Ausgaben für das Geschenke genau fest (HStAM, 340 Bantzer, 12)

Aus dem Nachlass des Malers Carl Bantzer, Mitglied der Willingshäuser Malerkolonie und bekannt für die Werke „Schwälmer Tanz“ und „Das Abendmahl in einer hessischen Dorfkirche“, werden innerhalb der Führungen Notizzettel aus den 1930er Jahren zu sehen sein, auf denen er sämtliche Ausgaben für das Fest – Geschenke, „Ausstattung“ und Geldpräsente festgehalten hat (HStAM 340 Bantzer Nr. 12Öffnet sich in einem neuen Fenster). Carl Bantzer lebte, nachdem er u.a. in Berlin, Paris, Dresden und Kassel gearbeitet und gelehrt hatte, in seinem Ruhestand ab 1924 in Marburg und wurde dort 1932 zum Ehrenbürger ernannt. Seine handgeschriebenen Listen sind ein privater Einblick in die Präsente, die am Ende des Jahres für die Waschfrau, den Bäckerjungen und den Zeitungsträger angemessen waren, in die Kosten, die für den Baum, Geschenkpapier, Bänder anfielen, und natürlich hinsichtlich der Geschenke, die er für seine Angehörigen kaufte. Hier konnten viele über die Jahre immer mit dem Gleichen rechnen: „Klassiker“ waren Praktisches (Taschentücher, „Fressalien“, Messer), Genussmittel (Cigarillos und Schokolade), Bücher und für die Kinder tauchen Malkasten und Bleistifte auf. Die Listen, einige undatiert, gehen wohl bis 1939, denn auf einer taucht als Geschenkidee „Wehrschach“ auf, eine Variante des Schachspiels, das auch unter dem Namen „Tak-Tik“ seit 1939 vertrieben wurde. Die Schachfiguren ahmten hierbei Waffen und militärische Symbole wie den Wehrmachtsadler nach.

Modernes Foto: Leuchtende Papierlaterne mit Kindermotiven vor schwarzem Hintergrund
Leuchtet immer heller, je näher Heiligabend kommt: Adventslaterne von Marigard Bantzer.

Unter den Beschenkten ist auch Bantzers Tochter Marigard, die 1930 Erich Ohser, besser bekannt als e.o.plauen, den Schöpfer der „Vater-und-Sohn“-Geschichten, heiratete. Als dieser von den Nationalsozialisten mit einem faktischen Berufsverbot belegt wurde (1944 wurde er verhaftet und beging vor dem anstehenden Prozess vor dem Volksgerichtshof Selbstmord), ernährte Marigard die Familie mit Buchillustrationen. Schon seit den 1920er Jahren gestaltete sie Kinderbücher, viele mit weihnachtlichem Bezug wie „Bei den Zwerglein im Advent“ oder „Wie das Eselchen das Christkind suchte“. In Kennerkreisen ist Marigard Bantzer insbesondere als Gestalterin von Adventskalendern und –laternen bekannt. Solche tauchen nun in den Listen ihres Vaters überhaupt nicht auf (müssen aber ja auch weit vor dem Fest besorgt werden…).

Für die öffentlichen Führungen ist keine Anmeldung erforderlich; der Eintritt ist frei. Führungen für Gruppen ab 10 Personen können gerne zusätzlich vereinbart werden (s.u.).

Katrin Marx-Jaskulski, Marburg

Anmeldung und Veranstaltungsort